Vor einigen Wochen habe ich angekündigt das ich die alte Luftaufnahme von John McGrew etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte und euch zeigen will was sich seit damals in Wiesbaden verändert hat. Heute nun schaffe ich es endlich das erste Kapitel zu dem Thema anzufügen. Beginnen möchte ich mit der Gesichte der alten Synagoge an der heutigen Stelle an der „Michelsberg“ und „Coulinstr.“ ineinander übergehen und eine weitere Straße zum „Schulberg“ führt.
Schauen wir uns das doch ersteinmal auf dem alten Foto an:
Wir reden also hier von dem Gebäude mit der Kuppel im gelb markierten Bereich.
Geschichtliches
Beginnen wir ersteinmal mit den Eckdaten. Die Synagoge wurde in den Jahren 1863 bis 1896 in Form eines griechischen Kreuzes errichtet. Das von dem Architekten und Stadtbaumeister Philipp Hoffmann entworfene Bauwerk war 35 m hoch und hatte eine mit goldenen Sternen überzogene Hauptkuppel. An den 4 Ecken des Gebäudes standen kleine Türmchen mit Kuppelaufsätzen. Der im Gesamten im maurisch-byzantinischen Stil gehaltene Prachtbau galt für einige Zeitgenossen gar als schönste Synagoge Deutschlands.
Hier ein Foto des Gebäudes etwa um 1880. Links im Bild müsste die heutige Straße „Schulberg“ verlaufen. Die Straße vor der Synagoge (rechts im Bild) ist die Straße „Michelsberg“.
Hier noch ein weiteres Bild aus einer anderen Perspektive, das ich auf der Webseite der Landeshauptstadt Wiesbaden gefunden habe. Das Aufnahmedatum ist leider unbekannt. Der Bebauung nach zu urteilen muss es aber nach 1880 und noch vor 1919 entstanden sein. Der Blick geht die Straße „Michelsberg“ entlang und fängt dabei die Synagoge ein. Im Hintergrund zu erkennen übrigens die Turmspitzen der, nur wenige Jahre älteren, Marktkirche.
Und hier noch ein Bild aus dem Innenraum das Synagoge.
Leider ereilte die alte Synagoge das gleich Schicksal wie viele Bauten ihrer Art. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der Reichspogromnacht, wurde sie in Brand gesetzt und zerstört. Die verbleibenden Außenmauern wurden dann 1939 endgültig abgebrochen.
Das folgende Bild zeigt die Zerstörung jener Nacht. Es stammt aus dem Archiv des Center for Jewish History in New York, das über flickr eingesehen werden kann.
Der ehemalige Standort der Synagoge heute
Heute, mehr als 70 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge hat der Platz auf dem Michelsberg eine bewegte Vergangenheit hinter sich und doch sind einige Dinge noch immer wie sie damals waren. So steht der Doppelhauskomplex, der auf vielen Fotos hinter der Synagoge zu sehen ist auch heute noch.
Hier die Vergleichfotos.
Ansonsten war dieser Ort und seine Umgebung aber stark dem Wandel der Zeit ausgesetzt. Während des Krieges diente der alte Sockel der Synagoge noch als Löschwasserreservoir. Danach wurde auch dieser letzte Rest planiert und es entstand ein Parkplatz. Bei der Erweiterung der „Coulinstr.“ wurde dann ein großer Teil des Grundstücks zur Verbreiterung der Straße verwendet. Wo zuvor die „Coulinstr.“ noch direkt in die Straße „Michelsberg“ mündete führt sie nun daran vorbei und vereinigt sich förmlich mit ihr. Heute führt diese Straße direkt durch die alte Synagoge hindurch.
1969 wurde dann auch noch eine, von vielen Wiesbadenern verachtete, Hochstraße aus Beton über den Platz geführt. Ihr musste sogar das damalige Denkmal mit der Aufschrift „Der Welt Gewissen ist die Liebe“ zur Erinnerung an die frühere Synagoge platz machen. Es wurde weiter nach oben verlegt. Dieses unschöne Bauwerk wurde erst 2001 wieder abgerissenen.
Erst im Jahr 1995 wurde dann wieder ein erster Versuch gestartet hier ein sichtbares Mahnmal, das an die alte Synagoge erinnerst, zu installieren. So wurde der Umriss der des alten Baus mit blauer Farbe direkt auf die Coulinstr. gemalt. Danach passierte aber noch viele Jahre nicht viel. 2005 wurde dann ein Wettbewerb gestartet durch den ein Entwurf für ein würdiges Denkmal gefunden werden sollte.
Am 27. Januar 2011 wurde es eingeweiht. Das sogenannte „Namentliche Gedenken“ war nach 8 Monaten Bauzeit und mehreren Jahren Planungsphase endlich fertig gestellt. Seit dem sind die Grundrisse der alten Synagoge nicht nur im Straßenbelag der Coulinstr. zu sehen, sondern sie sind auch von Steinwänden auf beiden Seiten der Straße eingefasst. Auf ihnen stehen die Namen von 1507, durch die Nationalsozialisten getöteten, jüdischen Mitbürger. Entworfen wurde das Denkmal von der Künstlerin Valeria Sass und dem Architekturbüro Barbara Willecke.
Hier eine Reihe aktueller Fotos, die die heutigen Gegebenheiten vor Ort wiedergeben.
Quellen: